Die drei Facetten von Holz.
Text Olena Faes Fotos Florian Brunner
Bauen mit Holz ist kein Trend, sondern Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung. Der traditionelle Werkstoff wurde früher für den Aufbau von ganzen Städten verwendet und wird heute wiederentdeckt. Katharina Lehmann, CEO der Lehmann Gruppe, engagiert sich für ein neues Verständnis rund um den Baustoff Holz.
Lehmann Gruppe
Standort Schweiz: Gossau SG Standorte im Ausland: Deutschland, Luxembourg Mitarbeitende: 350
«Der Ursprung unserer Unternehmung liegt im Sägewerk. Mit einem Wasserrad wurde 1875 die Energie bereitgestellt», erzählt Katharina Lehmann. Die Lehmann Gruppe besteht heute noch immer aus einem Sägewerk mit integrierter Weiterverarbeitung, der Lehmann Holzwerk AG. Ausserdem der BL Silobau AG, die Holzsilos für Streusalz erstellt, und der Blumer-Lehmann AG, welche sich mit aussergewöhnlichen Holzbauten im In- und Ausland einen Namen gemacht hat. Auch heute noch liegt das Unternehmen zu 100% in Familienhand. Katharina Lehmann selbst ist der Kopf der Unternehmensgruppe, und das seit 24 Jahren: «Ich bin einfach hängen geblieben», sagt sie lachend. Das Vertrauen, die Innovation, eine transparente Zusammenarbeit, aber auch eine geschlossene Wertschöpfungskette des Holzes sind wichtige Grundpfeiler der Firmenphilosophie.
Zahlreiche Herausforderungen im Alltag
Geführt werden die Firmen durch die jeweiligen Bereichs- und Geschäftsführer. Als CEO der Gruppe ist Katharina Lehmann Bindeglied zwischen den Unternehmen und gibt die Leitlinien für die Entwicklung der Gruppe vor. Nicht alle Entscheidungen im Tagesgeschäft müssen über ihren Tisch. So kann sie sich strategisch wichtigen Projekten, wie zum Beispiel der Entwicklung der internationalen Standorte oder anderen Herausforderungen im Alltag widmen. Themen wie der erhöhte Kostendruck eines Schweizer Produktionsstandortes erfordern stets neue Lösungen in den Prozessen der Leistungserbringung. Die Nähe zu den Kunden und das Schaffen von Mehrwerten für diese bleibt ebenfalls ein wichtiger Antrieb für ihr Wirken.
Über den Tellerrand hinaus
Auch die Internationalisierung der Blumer- Lehmann AG stellt eine Herausforderung dar, mit der sie sich intensiv beschäftigt, denn das Unternehmen soll auch in einem internationalen Kontext konkurrenzfähig sein. Deshalb wird in Produkte und Prozesse investiert. Beispielsweise in die Technologie des modularen Bauens oder in das Segment Free Form, das auch im Ausland auf Nachfrage stösst.
Dank dieser Free Forms, freie Formen in Deutsch, entstehen architektonische Meisterwerke aus Holz. Man kann sich den Planungs- und Bauprozess dieser Bauwerke so vorstellen: Der Architekt hat eine Idee oder eine Skizze, die er verwirklichen will. Verschiedene interne und externe Fachleute stellen nachher anhand der Arbeit im Team und mit Hilfe eines komplexen 3D-Modells sicher, dass diese Vorstellung auch produzier- und realisierbar ist. Design to build – ein durchgängiger Datenfluss, funktionierende Schnittstellen, grosse technische Kompetenz und geeignete Werkzeuge sind für die Planungs- und Ausführungsarbeiten dieser frei geformten Strukturen notwendig.
Von Moscheen …
Einen Einblick in die Welt der frei geformten Holzstrukturen von Blumer Lehmann geben uns die kürzlich realisierten Bauwerke der Cambridge Mosque und des Apple Stores in Bangkok. Die Moschee in Cambridge ist ein wahres Kunstwerk und ein architektonisches Meisterwerk. 30 Säulen aus Holz, die wie Bäume in die Höhe ragen, bilden das Tragwerk der Moschee. Durch die verbundenen Äste bilden die Säulen eine Art Baumkronendach, wie in einem Wald. 2'746 Bauteile in 145 Varianten waren für die Erschaffung dieses Bauwerks notwendig. 2018 konnten die Bauarbeiten an der Moschee beendet werden.
… und Apple-Pilzen
Ende Juli 2020 wurde der neue Apple Store in Bangkok eröffnet. Das elegante und schlichte Design des pilzförmigen Gebäudes sticht einem sofort ins Auge. 40 Kubikmeter Eichenholz wurden für das Bauwerk in Gossau verarbeitet. Der Store besteht aus zwei Ebenen, welche durch eine Wendeltreppe, die sich um den Kern des Gebäudes schlingt, verbunden sind. Das offene Konzept und die grosszügigen Glasfassaden bringen den Kern aus Holz besonders zur Geltung. Auf die Frage, was sie unbedingt noch bauen will, antwortet Katharina Lehmann: «Auf einer Insel ein Gebäude errichten, das wäre für uns eine richtig grosse Logistik-Herausforderung.»
Eine geschlossene Wertschöpfungskette
Die Free Forms sind aber nicht das einzige Spezialgebiet der Lehmann Gruppe. Im Sägewerk der Lehmann Holzwerk AG wird ein breites Sortiment an Schnittholzprodukten hergestellt. Dafür werden im Jahr rund 150‘000 Kubikmeter Rundholz aus den Wäldern im Umkreis des Erlenhofs verarbeitet. Auch das Restholz wird verwendet: für Pellets und Rindenbriketts oder als Brennstoff für die Produktion von elektrischer und thermischer Energie im eigenen Holzkraftwerk. Im Silo- und Anlagebau werden Gesamtlösungen für den Strassen-Winterdienst angeboten. In den bisher 20 Jahren der Geschäftstätigkeit wurden über 1000 Projekte realisiert. Ob klein oder gross – vom kleinvolumigen Silo bis hin zum vollautomatisierten Winterdienst-Stützpunkt ist alles dabei.
Schweizweit und auch in ganz Europa werden individuelle Lösungen angeboten. Und wer schon eine Anlage hat, kann ebenfalls profitieren: Blumer-Lehmann saniert und modernisiert auch bestehende Anlagen und sorgt danach für Service und Wartung.
Unschlagbar in Sachen Nachhaltigkeit
Weltweit hat sich das Bauen mit Holz in den letzten Jahren stark entwickelt und etabliert. Als Trend kann man es daher schon lange nicht mehr bezeichnen, vielmehr als Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung. Der nachwachsende Roh- und Baustoff ist CO2-neutral und liefert einen aktiven Beitrag zu Energie-, Ressourcen-, Klima- und Forstzielen der Schweiz. Seine Energiebilanz ist im Vergleich zu anderen Werkstoffen unschlagbar, verursacht Holz doch weit weniger graue Energie und Treibhausgase bei der Gewinnung, Verarbeitung und dem Transport, sofern es lokal genutzt wird.
Vielerorts wird Holz gar als das Baumaterial des 21. Jahrhunderts gehandelt. Gerade auch in Städten, die weiterwachsen und verdichtet werden, bietet Holz die Möglichkeit, effizient und nachhaltig zu bauen. Viele Städte und Länder fördern den Holzbau bereits aktiv. So haben europäische Länder ehrgeizige Klimagesetze ins Leben gerufen, die unter anderem nur mit der breiten Förderung des Holzbaus überhaupt zu erreichen sind.
Und plötzlich erscheint der Claim der Lehmann Gruppe, «Unsere Zukunft ist aus Holz gebaut», in greifbarer Nähe. Oder wie Katharina Lehmann meint: «Die Steinzeit ist zu Ende.»
Was ist für Sie das Wichtigste am Büro?
Das ist mein Computer bzw. mein Bildschirm.
viva. aufbauen.