Hält nichts von Mikromanagement: Hamiyet Dogan, Leiterin HR Schweiz.
Eigenverantwortung fordern und fördern.
Hamiyet Dogan, Leiterin HR Schweiz, verlangt viel – von sich und ihrem Team. Dafür gibt sie aber auch mehr als nur ein Danke zurück. Verantwortung abgeben und Eigenverantwortung fördern, das ist ihr wichtig. Dann stimmt auch die Performance.
Interview Domink Chiavi Fotos zVg.
Danke für dieses Interview, Hamiyet. Seit Mai 2020 bist du Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung von Helvetia Schweiz. Wie hat sich dein Zeitmanagement seitdem verändert?
Ganz ehrlich? Wenig. Ich bin ein Energiebündel und arbeite gerne und viel, das war schon immer so. Einen grösseren Einfluss auf meine Art zu arbeiten hatte aber Covid-19. Ich war weniger unterwegs und arbeitete von zu Hause aus. Das ermöglichte mir, Termin an Termin zu reihen und auch noch mit meinen Kindern zu Mittag zu essen. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb die neue Funktion nicht zusätzlich belastet hat. Überhaupt steht und fällt alles mit der richtigen Planung. Ich bin keine Alleskönnerin und mittlerweile gebe ich noch mehr Verantwortung und Aufgaben an mein Team ab, denn sie sind die Profis auf ihrem Fachgebiet. Das Ergebnis muss einfach stimmen, welchen Weg sie wählen, um es zu erreichen, überlasse ich ihnen. Von Mikromanagement halte ich nichts. Das erfordert zwar Mut, ist aber sehr motivierend für die Mitarbeitenden und positiv für das eigene Zeitmanagement.
Sich Zeit nehmen ist wichtig – und auf sich achtgeben. Resilienz ist zum Modewort geworden seit dem Ausbruch von Covid-19. Was hältst du davon?
Relevant war die Thematik Resilienz schon vor Covid-19 – nicht nur in meiner Funktion als HR-Leiterin, sondern auch für mich ganz persönlich. Resilienz bedeutet ja auch: sich anpassen an veränderte Situationen, beruflich und privat. Meistens überschneidet sich das. Als zweifache Mutter mit einem 100%-Pensum ist es unglaublich wichtig, auf das eigene Wohlergehen und die Gesundheit achtzugeben. Dazu gehört auch, die eigenen Grenzen zu kennen und das richtige Mindset zu haben. Man darf nicht gleich bei jeder Veränderung in Schockstarre verfallen oder eine Abwehrhaltung einnehmen. Persönlich hilft es mir meistens, einen Schritt zurückzutreten, die vielen Pendenzen und Belastungen aus Distanz zu betrachten und zu sortieren.
«Mich ärgert, wenn mir jemand sagt, sie oder er habe keine Zeit für Ferien.»
Und wie resilient ist Hamiyet Dogan?
Ich würde mich als gesund optimistisch, fröhlich, ausgeglichen, kreativ und anpassungsfähig bezeichnen. Ich kenne meine Belastungsgrenzen. Diese mache ich meinem Umfeld transparent und schütze mich dadurch ganz bewusst. Gerade im Oktober habe ich mir zehn Ferientage gekauft, weil ich alle anderen schon bezogen hatte. Sie waren mir wichtig, weil ich meine Eltern schon lange nicht mehr gesehen hatte. Klar, Arbeit habe ich immer, aber ich kann diese ja auch zeitweise abgeben, dafür habe ich einen Stellvertreter und ein engagiertes Team. Mich ärgert, wenn mir jemand sagt, sie oder er habe keine Zeit für Ferien. Davon ausgenommen sind natürlich situative Hochphasen wie Projektabschlüsse oder nicht planbare, grosse Schadenereignisse. Ansonsten ist dieses Problem hausgemacht. Verantwortung abgeben und an die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden appellieren, das kann ja nicht so schwer sein. Auch unser CEO Schweiz schafft es, seinen Laptop während der Ferien einige Tage geschlossen zu lassen.
Dieses Jahr gab es viele Veränderungen: Covid-19, IRIS, neue Arbeitsformen. Wie unterstützt HR in Zeiten des Umbruchs?
Wir bei HR verstehen uns als strategische Partner, die mitverantwortlich sind für die Steuerung und Unterstützung jeglicher Transformationen von Helvetia. Es gehört zu unserem Selbstverständnis, auch in ungewohnten Situationen wie etwa Covid-19 oder IRIS entsprechende Ressourcen bereitzustellen und bestmögliche Lösungen auszuarbeiten. Schliesslich spielt sich ein Grossteil dieser Veränderungen in der Organisation ab. Gemeinsam mit den Führungskräften schafft HR die Voraussetzungen dafür, dass Mitarbeitende ihre Fähigkeiten entfalten und ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen können – auch in Zeiten der Veränderung. Einige Beispiele dazu: Seit Ausbruch der Coronapandemie bin ich Teil des Kernstabs CoV-19, und HR führt die Corona-Hotline.
Bei IRIS wurden unsere HR-Business-Partner von Anfang an eingebunden und geschult, um die Führungskräfte in diesem Prozess zu unterstützen. Auch in den Projekten «GA der Zukunft» und «New Office» gestaltet HR mit und unterstützt die Mitarbeitenden und Führungskräfte.
Wie wichtig ist es, einfach auch einmal Danke zu sagen, gerade in herausfordernden Zeiten?
Danke sollte man nicht nur in herausfordernden Zeiten sagen. Danke sagen darf auch keine Floskel sein. Danke sagen sollte von Herzen kommen und aufrichtig sein, um beim Gegenüber auch richtig anzukommen und zu motivieren. Danken verbindet.
Erweitern wir den Blick etwas: Was für eine HR-Strategie fährt Helvetia?
Unser Grundauftrag bei HR lässt sich einfach erklären: Wir wollen die richtige Person mit den richtigen Fähigkeiten und der richtigen Einstellung zur richtigen Zeit in der richtigen Position einsetzen. Diesem Anspruch müssen wir auch in Zeiten der Veränderung gerecht werden, um Helvetia zukunftsfähig aufzustellen. Eine wichtige Rolle übernehmen hier die Führungskräfte. Sie sind nahe bei den Mitarbeitenden, kennen ihre Stärken und ihr Potenzial, sie fordern und fördern. Wir müssen ihnen mit Rat und Tat und den richtigen Werkzeugen zur Seite stehen, damit sie ihren Führungsauftrag erfüllen können. Natürlich muss – neben dem persönlichen Kontakt – die Interaktion in allem, was mit HR zu tun hat, einfach zugänglich digital erfolgen. In der Strategie helvetia 20.25 setzen wir auf die drei Eckpfeiler «Workforce Transformation», «Talent- und Nachfolgemanagement» und «Effizienz»: Die richtigen Kompetenzen und Fähigkeiten in unserer Belegschaft, ein zeitgemässes Vergütungssystem, eine gut gefüllte Nachfolge-Pipeline und eine sinnhafte Arbeitswelt der Zukunft mit effizienten und auf die Mitarbeitenden ausgerichteten Beratungs-, Service- und Supportprozessen.
«Wir wollen die richtige Person mit den richtigen Fähigkeiten und der richtigen Einstellung zur richtigen Zeit in der richtigen Position einsetzen.»
Stichwort helvetia 20.25 – die oft genannte «Performancekultur» klingt sehr zahlengetrieben...
Mir ist klar, dass Performance ein Reizwort ist. Damit sind aber nicht nur Business- und Finanzziele gemeint, sondern vor allem auch Verhaltensziele. Es geht um Leistungsstärke und Leistungsbereitschaft; darum, Verantwortung zu übertragen und Sinnhaftigkeit zu schaffen. Wir wollen Visionen aufzeigen und Zielbilder festigen. Die oder der Mitarbeitende muss sich über folgende Fragen im Klaren sein: Wohin gehen wir und was leisten wir als Helvetia? Welchen Beitrag steuere ich als Individuum dazu bei? Bin ich motiviert genug, diesen Weg mitzugehen? Ein Teil des Ganzen zu sein, ihre Rolle zu erkennen und Wertschätzung zu erfahren, das motiviert die Mitarbeitenden und steigert die Performance. Martin Jara spricht in seinem Blog «Einfach. Martin.» von einer positiven Grundenergie – dieser Begriff gefällt mir.
Selbstverständlich arbeiten aber auch wir mit Zahlen. Sie helfen uns, Problemstellungen zu erkennen, genau zu analysieren und darauf basierend flankierende Massnahmen abzuleiten. Unsere Arbeitswelt ist nun einmal datengetrieben und es wäre schade, wenn wir diese Informationen nicht nutzen würden.
Begeisterung entfachen, das macht Helvetia auch mit ihrem Employer Branding. Wie finden wir Talente und stellen sicher, dass wir für die richtigen Leute attraktiv sind?
Wir sollten weiter experimentieren im Employer Branding. Hier sind wir Vorreiterin und haben schon einige coole Projekte umgesetzt. Dass wir alle Stelleninserate auch in Teilzeit ausschreiben, das freut mich nach wie vor sehr. Auch die «Open Interviews», bei denen man sich ganz unverbindlich mit unseren Recruitern in einem Café treffen konnte, sind sehr innovativ und ermöglichen auch Quereinsteigern Einstiegschancen. Darauf zielt auch unsere Kooperation mit Lionstep ab. Im Einklang mit unserer HR-Strategie versuchen wir, zur richtigen Zeit die richtigen Leute dort abzuholen, wo man sie erreichen kann.
Wichtig ist mir das Verständnis, dass man nicht erwartet, dass die Bewerberin oder der Bewerber schon von Anfang an perfekt auf das Stellenprofil passt. Zentral ist: Stimmen die Leistungsbereitschaft, die Motivation und das Mindset? Passt die Bewerberin oder der Bewerber zu Helvetia und umgekehrt? Alles andere können wir aufbauen und entwickeln. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigen die jährlich über 20’000 Bewerbungen, die bei Helvetia eingehen. Einen Anteil daran hat auch FlexOffice – das ortsunabhängigere Arbeiten wird oft nachgefragt. Es ermöglicht uns auch, Talente aus anderen Regionen wie etwa Basel oder St. Gallen zu erreichen.

Hamiyet, wem willst du gerne Danke sagen? viva wird dieser Person in deinem Namen Schoggi überreichen.
Dann sage ich gerne als Kundin Danke, und zwar Bruno Venchiarutti von der Generalagentur Baden. Diesen Sommer hatte ich einen grossen Wasserschaden in meinem Haushalt und Bruno war sofort zur Stelle und hat mich super unterstützt. Der Schaden ereignete sich kurz vor meinen Ferien und ich konnte Bruno vor der Abreise meinen Schlüssel in die Hand drücken und beruhigt verreisen. Danke Bruno, das war Spitzenklasse! Überhaupt bin ich stolz auf alle Mitarbeitenden in der Schadenabwicklung. Dieser Sommer war anspruchsvoll, aber von Helvetia habe ich nur Gutes gehört.