Tagträume und warmer Sommerregen.
Heute war ich mit meinen Töchtern im Park, auf dem Weg dahin sprachen wir über den Sommer. Eis tropfte aus der Waffel in ihren Händen, schokoladenverschmierte Münder, und sie dachten an Glühwürmchen und warmen Regen.
Später zog der Himmel rasch zu und ehe wir uns versahen, folgte ein Wolkenbruch und dieser Moment, wenn zum ersten Mal im Jahr pralle, kreisrunde Regentropfen auf den warmen Asphalt platzen und jener Geruch aufsteigt, der nach Sommer riecht wie kaum ein anderer. Und die Kraft besitzt, direkt und unmittelbar durch den Körper zu gehen. Zurück in die Sommer der Kindheit, in denen alles gross und weit war. In jene der Jugend, als alles möglich schien. Kein Wunder, spielen so viele Coming-of-Age-Geschichten in den grossen Ferien, dann, wenn die Schulen geschlossen sind und sich der elterliche Einfluss in der Hitze auflöst.
Später, mit den Jahren, kam auch ein Druck hinzu, die aufgekratzte Erwartung, den besten Sommer seines Lebens haben zu müssen. Die sich dann doch nicht erfüllte. Vielleicht hatten wir eben doch zu viele Coming-of-Age-Geschichten gelesen. Und manchmal fühlte es sich wie eine Erleichterung an, wenn die fallenden Blätter den Herbst ankündigten.
Doch in diesem Moment, wenn dieser Geruch aufsteigt, der den Namen Petrichor trägt, was seiner Schönheit nicht gerecht wird, aber doch immerhin eine gemeinsame Benennung erlaubt, kommen auch die kindlichen Tagträumereien zurück. Keine nachtschweren Traumbilder, kein verworrenes Unterbewusstsein, sondern fluide Stimmungen, ausgelöst von flüchtig leichten Gedankenbildern, die innere Türen öffnen und so den Boden bereiten, um an verborgene Möglichkeiten zu glauben.
Ein Prozess, der auch beim Schreiben einsetzt. Wenn der Kopf loslässt, das Tagesgedächtnis kurz die Zügel etwas lockerer lässt und dem Platz macht, was sich manchmal auf magische Weise zusammenfügt. Ja, warum diesen Sommer vielleicht nicht doch einmal eine Coming-of-Age-Geschichte schreiben? Oder wenigstens barfuss durch den warmen Regen laufen.
Text Seraina Kobler, Diogenes Verlag Foto Franco Tettamanti, Zürich