Von Null auf Hundert.
Hamiyet Dogan vertritt HR im Helvetia Corona Krisenstab. Das Virus hat ihr Arbeits- und ihr Privatleben umgekrempelt. Trotzdem erlebte sie in dieser Zeit viele positive Momente. Sie ist überzeugt, dass Helvetia viel gelernt hat und gestärkt aus der Krise hervorgeht.
Text Giulia Rüegg Foto Helvetia
So wie viele andere dachte auch Hamiyet Dogan, Leiterin Human Resources Schweiz, als sie das erste Mal vom Corona-Virus hörte: «Das ist so weit weg, das betrifft uns nicht.» An einem Sonntagnachmittag, Ende Februar, erreichte sie dann ein Anruf von Jens Wiesenhütter von Corporate Communications, dass die Mitarbeitenden über Corona informiert werden müssten. Die Schweiz war zu diesem Zeitpunkt noch nicht betroffen, die Sorge galt dem Sitz in Mailand.
Der Marathon beginnt
Am 23. Februar traf sich zuerst die Konzernleitung und setzte den Krisenstab Gruppe ein. «Es gab zwar ein Konzept, aber an so eine Krise hatte niemand gedacht», sagt Hamiyet. Ein Marathon begann: Die nächsten fünf Wochen wurden rund um die Uhr Entscheidungen getroffen, Telefonate geführt, Allegra Updates verfasst, Websites auf die Beine gestellt, eine Corona Hotline ins Leben gerufen, Führungskräfte gebrieft und und und. In der ersten Phase war es wichtig, zu beruhigen. «Natürlich konnten wir nicht mit Tausenden von Mitarbeitenden sprechen. Beruhigen konnten wir nur über sachliche Information», so Hamiyet.
Jabber, Webex & Co.
Hamiyets Alltag änderte sich von jetzt auf gleich um 180 Grad. Sie sprach fast rund um die Uhr am Telefon. Nicht nur intern: auch mit Konkurrenten, Banken, dem Schweizerischen Versicherungsverband, wo sie ebenfalls als Vertretung von Helvetia in der Kommission Arbeitgeberpolitik tätig ist. «Es war schön mitzuerleben, wie die Wirtschaft plötzlich zusammengehalten hat, egal ob Konkurrent oder Branchenfremde.» Es gab nur noch eine Priorität: Corona. Und natürlich wichtige Prozesse wie der Lohnlauf jeden Monat. Das musste getestet und sichergestellt werden. HR stellte seine Arbeitsweise komplett um. Jabber, Webex & Co., die man hie und da nutze, waren ab sofort rund um die Uhr im Einsatz, ohne Social Media lief nichts mehr.
Immer up to date
Herausfordernd war es, immer aktuell informiert zu sein. Was am Vormittag galt, war am Nachmittag überholt. Das hiess, alle Kanäle und das eigene Wissen laufend zu aktualisieren. Die meist gestellte Frage unserer Mitarbeitenden: «Mir geht’s nicht so gut, aber ich hatte noch mit Person X, Y und Z Kontakt – was soll ich tun?» Nachgefragt wurden auch Desinfektionsmittel und Schutzmasken. Ende März erreichten HR vermehrt Anfragen zum Thema Kinderbetreuung und erst im April stellte man sich die Frage bezüglich Ferien und Überstunden. «Die Mitarbeitenden dachten nicht nur an sich; das empfand ich als extrem solidarisch.»
Wir funktionieren in einer Krise!
Der schönste Moment für Hamiyet war, als sie feststellte: «Wir funktionieren in einer Krise! Vielleicht nach kurzen Anlaufschwierigkeiten, aber wir funktionieren.» Und jeder und jede beteiligte sich, brachte sein Wissen ein, ging die Extrameile: solidarisch, Hierarchie spielte keine Rolle. Die, die weniger zu tun hatten, halfen jenen, die überrollt wurden. «Die positiven Feedbacks von der Front motivierten und machten allen Stress wett», sagt Hamiyet. Angst, etwas Falsches zu entscheiden oder einen Moment, in dem sie nicht weiterwusste, spürte sie nie: «Mit den richtigen Menschen, erreicht man alles. Danke dafür! Ohne all diese Personen hätten wir das nie geschafft».
24/7
«In den ersten fünf bis sechs Wochen konnte ich nie abschalten», sagt Hamiyet. Neben dem Job brauchten ihr 13-jähriger Sohn und ihre 8-jährige Tochter ebenfalls ihre Energie. «Mir war meine Verantwortung für unsere Mitarbeitenden bewusst – meine eigenen Bedürfnisse stellte ich in den Hintergrund. Ich wusste, dass es irgendwann vorbei ist», sagt sie. Kurz vor Beginn der Frühlingsferien begann sie jeden Tag mit ihrem Ehemann im Wald laufen zu gehen. «Ich musste einfach raus, ein bis zwei Stunden ohne Corona und ohne Handy. Erst da kam ich zur Ruhe.» Diese Art ‹abzuschalten› behält Hamiyet bei und es macht ihr jeden Tag Freude.
Im Schnellzug digitalisiert und Strategie umgesetzt
Punkto Digitalisierung brachte die Krise Helvetia einen Riesenschritt weiter. Videokonferenzen waren plötzlich normal, fast einfacher, als früher ein Sitzungszimmer zu finden. Plötzlich war Flexibilität gefragt – Arbeiten und Kinder betreuen lässt sich ja verbinden. «Es hat uns gezeigt, dass wir gut zusammenarbeiten, auch wenn wir nicht immer vor Ort sind. Die Skepsis, mit welcher Einige der Digitalisierung begegnen, ist weg», so empfindet es zumindest Hamiyet «auch das gegenseitige Vertrauen ist gestärkt, Mitarbeitende haben sich unkompliziert unter die Arme gegriffen – bereichsübergreifend. Die Krise hat uns auch gelernt, Prioritäten zu setzen, Sachen schneller zu entscheiden.» Hamiyet ist überzeugt, dass Helvetia im Moment kreativer und produktiver unterwegs ist als sonst. Ein schönes Beispiel seien die Kundenberater, die sich vor allem bei alleinstehenden Kunden meldeten, nur um zu fragen, wie es ihnen gehe. Ohne ‹Kulturprogramm› hätten die Mitarbeitenden in Wochenfrist Agilität, Innovation und Kundenzentrierung vorwärtsgebracht. Das Schlimmste wäre aus Hamiyets Sicht, wenn Helvetia wieder in den bisherigen Alltagstrott verfalle: «Ich wünsche mir, dass dieser Spirit weiter wächst.»
Eine glatte Zehn für Helvetia
Wenn Hamiyet Helvetia und ihren Mitarbeitenden eine Note für das Verhalten in dieser Krise geben müsste, wäre es eine glatte 10! Jede und jeder habe das Beste aus der Situation gemacht und alles daran gesetzt, dass diese Firma funktioniert. «Ich wünsche mir, dass sich auch bei zukünftigen Projekten mehr Pragmatismus durchsetzt und wir bei Helvetia schneller vorwärtskommen. Als Besinnung taugt so eine Krise ganz gut.»
viva. unternehmen.