Unternimm etwas!
Kolumne
Text Patti Basler Foto Geri Born

Patti Basler textet, dichtet, slammt und bringt gereimte Ungereimtheiten auf die Bühne.
«Schau, das Gras ist grün draussen und das Wetter ist prächtig, unternimm etwas», pflegte meine Mutter zu sagen. Ich schaute zu den Nachbarn und dachte, das Gras sei grüner dort, ihre Unternehmungen seien mit mehr Gück gesegnet. «Das Gras wirkt immer grüner von der anderen Seite», tröstete mich meine Mutter.
Wir alle sind Unternehmer*innen. Oder fast noch mehr: Unternehmer draussen. Wenn nichts passiert, unternehmen wir etwas im Freien: eine Wanderung, einen Ausflug, eine Unternehmung.
Wenn etwas passiert, unternehmen wir ebenfalls etwas: Massnahmen, solidarische Unterstützung. Unternehmen werden unter die Fittiche genommen, im besten Fall vom Mutterhaus oder von Mutter Helvetia.
Denn ein Unternehmen braucht einen stabilen Grund und gute Aussichten. Oder wie Goethe es ausdrückte: Wurzeln und Flügel. Wo guter Grund gegeben ist, schiessen Jungunternehmen, Startups wie Pilze aus dem Boden und ins Kraut. Oft lassen sie sich den Anschub von ihrem geneigten Freundeskreis finanzieren. Nicht die Hochfinanz von oben, sondern die einfach Leute von unten nehmen die Kreditwürdigkeit unter die Lupe. Ein Grassroot-Unternehmen, eine Art Graswurzelbewegung, deshalb heisst es wohl auch «Kraut-Funding». Doch so ein Unternehmen ist nicht nur ein Fun-Ding, sondern Arbeit.
Unternehmerinnen übernehmen Verantwortung. Und wenn sie sich übernehmen, werden sie übernommen. Oft unfreundlich. Und im schlimmsten Fall werden sie zu Grabe getragen. Vom Totengräber, auf Englisch «Undertaker», was wörtlich Unternehmer heisst; und der weiss, dass das Gras eben nicht grüner ist von der anderen Seite. Liest man GRAS von der anderen Seite, von hinten, erinnert es daran, dass man es irgendwann von unten sieht.
Doch bis dahin stecken wir nur mit den Füssen im Dreck und können den Kopf zur Sonne drehen.
Im Hinterkopf hören wir leise die mütterliche Stimme, die sagt: «Unternimm etwas!»
viva. unternehmen.