Keinen Konflikt im Gemüsebeet.
Sich ganz auf sein Bauchgefühl verlassen? «Lieber nicht», lacht Sandra Hürlimann, Leiterin Data & Analytics. Will ein Unternehmen eine Strategie verfolgen, effizient arbeiten und prüfen, ob es auf dem richtigen Weg ist, muss es messen und vergleichen. Das gelingt nur mit ihnen: ein Loblied auf die Daten.
Interview Isabella Awad Fotos Zsigmond Toth, Zürich
Sandra, was heisst «datengetriebenes» Unternehmen?
Das heisst, Entscheidungen werden auf Basis von Fakten und Erkenntnissen getroffen. Daten, Informationen, Reportings und Analysen fliessen in Entscheide ein. Das schafft Transparenz und Sicherheit. Daten nutzen wir auch, um die Kundenzentrierung voranzutreiben – beispielsweise mit personalisierten Angeboten für Kundinnen und Kunden.
Wo sinnvoll, automatisieren wir sich wiederholende Tätigkeiten, um unsere Prozesse zu optimieren und so mehr Zeit und Ressourcen für unsere Kunden zu gewinnen – zum Beispiel für die Entwicklung kundenzentrierter Innovationen. Daten unterstützen uns dabei, aber das «Menschliche» werden sie nie ersetzen. Gespräche müssen nach wie vor geführt werden, und Entscheide treffen wir immer noch selbst – das nehmen uns Daten nicht ab. Und das ist auch gut so!
Wie weit ist Helvetia diesbezüglich?
Unser Ziel ist es, Helvetia zu einem datengetriebenen Unternehmen zu entwickeln. Wir haben eine solide technologische Basis geschaffen, wegweisende Projekte lanciert und in kurzer Zeit viel erreicht. Wir sind im Vergleich zur Konkurrenz ganz vorne mit dabei.
Was haben wir denn konkret erreicht in den letzten Jahren?
Die Helvetia Analytics Plattform (HAP) ist in der Schweiz produktiv. Sprich, wir haben in den letzten Jahren Vollgas gegeben und gehören nun zu den Spitzenreitern unserer Branche in der Schweiz. Mit der HAP haben wir den Publikumspreis der Handelszeitung für Innovationen in der Schweizer Assekuranz gewonnen. Zudem gehört Helvetia – gemäss Finanz und Wirtschaft und Bilanz – zu den «besten digitalen Performern» der Schweiz. Diese Grundlage konnten wir nutzen und auch bereits viele datenbasierte Anwendungen umsetzen, um einerseits Prozesse zu automatisieren und andererseits die Kundenzentrierung zu fördern.
Wir sind auch daran, eine topmoderne, cloudbasierte Datenmanagement-Plattform aufzubauen, um die Datenverfügbarkeit und den Zugang zu Daten unternehmensweit zu vereinfachen.
Erzähle uns mehr über das Team Data & Analytics (D & A) ...
Wir sind rund 50 Mitarbeitende in Basel und St. Gallen. Dazu gehören auch externe Entwicklungspartnerinnen und -partner. Organisatorisch sind wir in der IT und im Kunden- und Marktmanagement angesiedelt, was für uns ein grosser Mehrwert ist. Bei uns arbeiten Projektleiter, Informatikerinnen, Biologen ... Voraussetzung ist das Interesse an Daten (lacht) und mit Elan und Herzblut gerne im Team zu arbeiten. Wir sind die ersten Ansprechpartner, wenn es um Daten, Reporting, Analytics oder Marktforschung geht. Nicht zuletzt möchten wir durch unsere Arbeit grundlegend das Vertrauen in Daten fördern.
Wir können Helvetia nicht im Alleingang zum datengetriebenen Unternehmen entwickeln, sondern nur gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen und dem Vertrieb. Das Zusammenarbeits-Modell basiert auf einem dualen Ansatz. Bei übergreifenden Themen sind wir aus D & A im Lead, wenn allerdings die Nähe zum Markt essenziell ist, ist der Fachbereich federführend. Wir machen nie etwas im Alleingang.
In welchen Bereichen sind Daten besonders wichtig?
Daten bringen immer einen Mehrwert – unabhängig vom Thema und Gebiet. Und wie bereits gesagt: Das Zusammenspiel von Menschen und Daten ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wie werden Daten gesammelt?
Daten werden fast überall gesammelt. Zum Beispiel über Verträge und Formulare, über das Verhalten auf der Webseite und im Austausch mit dem HSC sowie über E-Mails. Daten können auch von extern bezogen werden – das Bundesamt für Statistik als Lieferant ist ein Beispiel hierfür.
«Das Zusammenspiel von Menschen und Daten ist der Schlüssel zum Erfolg.»
«Unsere Kundinnen und Kunden dürfen voll auf den korrekten Umgang mit ihren Daten vertrauen.»
... und wie wird das Gesammelte aufbereitet?
Die Aufbereitung hängt von der Anwendung ab. Für eine Analystin müssen die Daten so zur Verfügung gestellt werden, dass sie bestimmte analytische Fragen beantworten kann – zum Beispiel: Was ist der Grund dafür, dass ein bestimmter Wert sinkt oder steigt? Ein Business-Anwender will Daten möglichst aktuell, einfach zugänglich und grafisch übersichtlich in Reportings und Dashboards einsehen.
Daten sind wertvoll, der Umgang mit ihnen ist oft heikel. Wie schützt Helvetia ihre eigenen Daten und die der Kundinnen und Kunden?
Für Helvetia ist Vertrauen einer der wichtigsten Werte. Unsere Kundinnen und Kunden dürfen voll auf den korrekten Umgang mit ihren Daten vertrauen. Hier akzeptieren wir keine Ausnahmen. Der Datenschutz obliegt der Fachstelle Datenschutz, welche entsprechende Weisungen erlässt. Natürlich stimmen wir uns eng ab, halten die Vorgaben jederzeit ein und setzen die Grundsätze des Datenschutzes bezüglich personenbezogener Daten um.
Wie wirken sich die Datenschutzgesetze auf das Sammeln von Daten aus?
Sie haben grossen Einfluss. Wir führen beispielsweise ein komplexes Projekt, das sich mit dem Löschen von Daten beschäftigt. Nach Ablauf bestimmter Aufbewahrungsfristen löschen wir Daten datenschutzkonform aus den Systemen oder anonymisieren sie so, dass man sie nicht mehr einer Person zuordnen kann. Diesen Prozess werden wir weitestgehend automatisieren.
Data & Analytics – klingt komplex: Wie lebt ihr einfach.klar. helvetia?
Daten sind im Grunde nur Anordnungen von Nullen und Einsen. Das ist in meinen Augen viel einfacher als komplexe, fachliche Fragestellungen. Im Ernst, wir versuchen die Komplexität, die hinter unserer Arbeit steckt, immer transparent, einfach und zielgruppengerecht zu erklären. Das Thema Storytelling ist dabei sehr wichtig. Für Personen, die nicht täglich damit zu tun haben, ist es schwierig nachzuvollziehen, weshalb eine Entscheidung datenbasiert Sinn ergibt. Umso wichtiger ist es, sich Zeit zu nehmen und die Daten anhand einer guten Geschichte in einen greifbaren Kontext zu setzen.
Wie bringt ihr das Wissen ins Unternehmen?
In der täglichen Arbeit durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, oder durch dedizierte Kommunikation – beispielsweise über allegra oder wie hier im viva. Die Kurse an der Data Academy unterstützen zudem die Mitarbeitenden, ihre «Berührungsängste» zu verlieren und sie mit einfachen Beispielen und Geschichten in die faszinierende Welt der Daten einzuführen.
Wann stossen Daten an ihre Grenzen? Was können und sollen sie auch nicht?
Wenn die Datenqualität nicht stimmt oder zu wenig Daten vorhanden sind, kann man die besten Methoden anwenden; sinnvolle Ergebnisse wird man nicht erzielen. Entscheidungen von grosser Tragweite sollte man nicht allein Daten oder einem AI-System überlassen – ganz besonders nicht, wenn negative Konsequenzen für Menschen, Gesellschaft oder Umwelt zu befürchten sind. Der «Mensch» muss immer einbezogen werden. Es gibt nämlich Aspekte die (noch) nicht in Daten reflektiert oder sehr schwer abbildbar sind.
Was fasziniert dich an Daten?
Daten sind meine Leidenschaft. Sie erzählen mir eine Geschichte, machen Sachverhalte sichtbar und lassen mich immer wieder staunen. Durch den Einsatz modernster Technologien können wir heute tiefe Einblicke gewinnen, die uns früher verborgen blieben.
Wie gehst du privat mit Daten um?
Ich bin ein offener Mensch und habe nichts zu verbergen. Deshalb gehe ich zwar behutsam, aber nicht ängstlich mit meinen Daten um und vertraue auf die Gesetze.
Was interessiert dich im Leben ausser Daten?
Wandern, Skifahren, Gärtnern, Freunde treffen. Ich bewege mich sehr gerne draussen mit meinem Mann und unserer Hündin Lucy. Übrigens: Vor dem Gärtnern mache ich zuerst eine Analyse, um zu wissen, was sich im Beet verträgt und wo es Konflikte geben könnte.
Amüsante Big-Data-Projekte weltweit
Ohrstöpsel-Kunst
Die britische Künstlerin Linda Simon hat 6’000 Kunststoff-Gehörschutzstöpsel in eine Kunstinstallation verwandelt. Das Muster basiert auf der Auswertung von Daten, die ihr Schlaf-Tracker gespeichert hat. Das Werk wurde diesen Sommer im «Maidstone Museum» in Kent ausgestellt.
Sandra, wenn du Elon Musk, Michelle Obama oder Achim Baumstark eine Frage stellen könntest: Wem von den dreien würdest du sie stellen und wie lautete die Frage?
Michelle Obama: ich habe ihr Buch gelesen und bin sehr fasziniert von ihr – ich würde sie fragen, ob sie Zeit hätte für ein Mittagessen. Dann hätte ich die Möglichkeit, mehrere Fragen zu stellen.